Bericht aus dem Wochenblatt von Bea Asper (Bericht als PDF)
Früchte pflücken ohne schlechtes Gewissen
Im Laufental-Thierstein findet man eine Übersicht über Obstbäume, die zur freien Ernte zur Verfügung stehen. Weitere Bäume können gemeldet werden.
„Die Früchte dieses Baumes dürfen Sie kostenlos für den Eigengebrauch ernten“, steht auf dem Schild am Rande des Spazierweges. Solche Standorte gibt es bereits einige im Laufental-Thierstein. Täglich kommen neue dazu. Die Idee stammt vom Verein Freunde RefLaufental. Auf der Webseite www.freundereflaufental.ch/obsternten findet man die Standorte, Informationen und den Haftungshinweis. „Auf Eigenverantwortung darf man nämlich auch eine Leiter mitbringen“, bestätigt Mitinitiant Thomas Boillat. „Und natürlich freuen wir uns über das Melden weiterer Bäume, die den Menschen zum Selberpflücken zur Verfügung gestellt werden“. Hinter der Idee stehe der soziale Gedanke, dass Menschen ohne eigene Obstbäume am frischen Früchtegenuss von Landbesitzern, die ihre Bäume nicht für die Ernte nutzen, teilhaben dürfen.
Biodiversität statt Gewinn
Die Gründe, warum in den letzten Jahren an vielen Bäumen die Früchte ungenutzt verfaulten, sind vielschichtig. Teilweise geht es in der Landwirtschaftspolitik beim Erhalt oder der Neupflanzung von Bäumen um die Direktzahlungen für die Biodiversität und nicht um das Gewinnen der Früchte. Doch auch Qualitätsansprüche und Niederigpreise der Grossabnehmer führen immer wieder dazu, dass Produzenten auf das Ernten der Früchte verzichten. „In manchem Obstgarten kann es auch sein, dass das Ernten mit zu viel Arbeit verbunden ist oder der Ertrag über den Eigengebrauch hinausgeht“, meint Boillat. „Teilt man nun dieses Glück, so verdoppelt es sich.“, sagte sich der Vorstand des Vereins Freunde RefLaufental und machte sich an die Umsetzung seines neusten Projektes: Die Auflistung der Standorte und die Ausschilderung der Bäume, die zum Selberpflücken zur Verfügung stehen.
Erhaltung und Aufwertung alter und seltener Obstsorten
Dabei vernetzte man sich auch mit dem bestehenden Früchte-Ernte-Projekt von Raphael Häner. Der Forstingenieur aus Laufen hatte bereits vor einigen Jahren die Plattform www.meinobstgarten.ch ins Leben gerufen. Er war durch seinen Grossvater in Wahlen zu Landwirtschaftsland gekommen und nutzt es zur Förderung seines Lieblingsbaumes, der Wildbirne. Zusammen mit weiteren Naturliebhabern gründete er den Verein Wildbiss. Dieser liess aus den Birnen nach Geheimrezeptur einen Edelbrand herstellen und gewann damit am Schweizer Wettbewerb Distiswiss bereits zweimal die Gold-Auszeichnung. Mit dem Projekt „meinobstgarten“ hatte sich Häner vorgenommen, den Zugang zu geschmackvollem Obst zu schaffen, einen Beitrag zur Erhaltung und Aufwertung von alten, selten gewordenen Obstsorten und gegen Food-Waste zu leisten sowie Stadt und Land zu vernetzen.
Zu den dankbaren Pflückern zählen unter anderem die freiwilligen Helfer der Institution „Die Sammlerei“. Diese ist ebenfalls preisgekrönt – und zwar in der sozialen Arbeit. „Gemeinsam betreiben wir die Sammlerei mit Kopf, Hand und Herz. Selbstbestimmt und unentgeltlich. Wir ernten Früchte und Gemüse, die ohne uns nicht verwertet werden“, erklärt Stephanie Nabholz. Ihre Kollegin Carmen Cueni ergänzt: „Wir füllen Gläser mit Konfitüre, Chutney, Kompott und Süss-Saurem und verkaufen unsere Produkte in regionalen Läden.“